Startseite » Bildung » Die Schule als Fluggesellschaft, die Klasse als Flugzeug, der Lehrer als Pilot – eine Streitschrift für eine neue Sicht der Bildungsdebatte

Die Schule als Fluggesellschaft, die Klasse als Flugzeug, der Lehrer als Pilot – eine Streitschrift für eine neue Sicht der Bildungsdebatte

von Walter Korinek

Betrachte ich die Diskussionen um die Schule drängt sich mir immer wieder das folgende Bild auf. Ähnelt das Schulsystem heute nicht immer mehr einer Fluggesellschaft, die von sich selbst behauptet „Wir können alles, was Sie als Passagiere von uns verlangen“. Dem einen bietet sie vor allem ein gutes Essen und erlesene Weine an, dem anderen einen ruhigen Schlaf, dem nächsten die Erreichung der unterschiedlichsten Ziele dieser Welt, eine perfekte medizinische Versorgung.

Schule-als-Flugzeug-2Das Management verspricht allen alles und verbreitet den Slogan „Mit uns können Sie alles erreichen, was Sie wollen.“ Die Manager selbst sind keine Piloten, haben in der Regel keinerlei fliegerische Erfahrungen, verstehen sich selbst als absolut kundenorientiert. Unternehmens­berater der unterschiedlichsten Beratungsfirmen sind auf allen Ebenen tätig. Fortbildungen für das fliegende Personal werden zunehmend extern zur Steigerung der diversen auseinanderstrebenden Ziele der Gesellschaft angeboten. Die Verwaltungsebene der Gesellschaft wächst im Verhältnis zum fliegenden Personal, die administrative Ebene gewinnt an Wichtigkeit, da alle diese Aufgaben organisiert werden müssen. Diskutiert werden immer mehr Strukturfragen, wie diese Diversifikation optimal erreicht werden kann.

Die Schulklasse ist vergleichbar mit einem Flugzeug, in das Passagiere einsteigen mit den unterschiedlichsten Reisezielen, den unterschiedlichsten Erwartungen hinsichtlich dessen, was dort angeboten wird – und alles mit der selbstverständlichen Erwartung, dass all diese Wünsche von der Besatzung schnellstmöglich, effektiv und effizient umgesetzt werden.

Die Piloten und die Besatzung eines solchen Flugzeugs wissen nicht, wie sie mit diesen unterschiedlichen Erwartungen zurecht kommen sollen, sie haben keine klaren Aufgaben und Ziele. Persönlich ist das fliegende Personal desorientiert, Burn-Out-Symptome treten verstärkt auf. Letztlich bleibt das Flugzeug auf dem Boden, denn niemand weiß, wo es hin fliegen soll.

 

Was hat dieses Bild mit der Schule heute zu tun?

 In der baden-württembergischen Landesverfassung Art. 11(1) ist die Aufgabe des Schulwesens klar formuliert:

(1)     Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung.

Jahrzehntelang herrschte Klarheit über die Umsetzung dieses Verfassungsauftrags. Es gab im Wesentlichen drei Säulen des Schulsystems, die von ihrer Zielsetzung, ihren Methoden, ihrem Anspruchsniveau klar unterschieden war. Ebenso deutlich war das Ziel von Schule definiert:

 (2) Die Schule hat den in der Landesverfassung verankerten Erziehungs- und Bildungsauftrag zu verwirklichen. Über die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten hinaus ist die Schule insbesondere gehalten, die Schüler

in Verantwortung vor Gott, im Geiste christlicher Nächstenliebe, zur Menschlichkeit und Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zur Achtung der Würde und der Überzeugung anderer, zu Leistungswillen und Eigenverantwortung sowie zu sozialer Bewährung zu erziehen und in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Begabung zu fördern,

zur Anerkennung der Wert- und Ordnungsvorstellungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erziehen, die im einzelnen eine Auseinandersetzung mit ihnen nicht ausschließt, wobei jedoch die freiheitlich-demokratische Grundordnung, wie in Grundgesetz und Landesverfassung verankert, nicht in Frage gestellt werden darf,

auf die Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten vorzubereiten und die dazu notwendige Urteils- und Entscheidungsfähigkeit zu vermitteln,

auf die Mannigfaltigkeit der Lebensaufgaben und auf die Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt mit ihren unterschiedlichen Aufgaben und Entwicklungen vorzubereiten.

(3) Bei der Erfüllung ihres Auftrags hat die Schule das verfassungsmäßige Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder mitzubestimmen, zu achten und die Verantwortung der übrigen Träger der Erziehung und Bildung zu berücksichtigen.

Die Schule hatte einen in den Bildungsplänen ausgeführten Bildungsauftrag mit der Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, gleichberechtigt daneben einen Erziehungsauftrag mit dem Ziel, dass der Schüler persönlich und als Mitglied der Gesellschaft auf sein Erwachsenenleben vorbereitet werden soll.

Punktum. Die Aufgabenstellung war klar, die Bildungspläne überschaubar und vor allem beides war von der einzelnen Schule, dem Lehrer, der Lehrerin leistbar.

Der „Sündenfall“ kam mit den gesellschaftspolitischen Ansätzen der 60er und 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Gesellschaft sollte umgestaltet werden in Richtung mehr Demokratie (was auch immer darunter verstanden wurde, hier gingen die Richtungen sehr weit auseinander), vor allem aber war das Mittel dazu klar: Die Veränderung der Gesellschaft sollte über die Erziehung der Kinder und Jugendlichen erfolgen. Nach anfänglichen Suchbewegungen mit Idee wie der „Entschulung der Gesellschaft“ (Ivan Illich), der „antiautoritären Erziehung“ (die Summerhill-Schule von A.S. Neil) wurde der „Weg durch die Institutionen“ – wie es Rudi Dutschke formulierte – eingeschlagen. Pädagogik wurde zum strategischen Ansatzpunkt gewünschter gesellschaftlicher Veränderung. Theoretische Grundlagen lieferten u.a.  die Frankfurter Schule mit ihren Vertretern Max Horkheimer, Erich Fromm, Herbert Marcuse, Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas. Sie alle waren davon überzeugt, dass die in der bürgerlichen Familie entwickelten Autoritätsverhältnisse die Entstehung autoritärer Charaktere  begünstige, die den Nährboden für den Faschismus geliefert hätten, und somit den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr entsprächen.

Pädagogisch wirksam wurden nun Grundideen von Rousseau und der Reformpädagogik. Man ging nun grundsätzlich davon aus, dass der Mensch gut sei und dass man das Kind sich selbst entsprechend seiner Natur entfalten lassen müsse, ohne es negativ zu beeinflussen. Als negativ wurden die anfangs zitierten Grundlagen und die damit verbundenen Vorgaben des Schulrechts betrachtet, die als staatliche Vorgaben gegen das natürliche Recht des Indivduums aufgefasst wurden.

In den Folgejahren entwickelte sich aus diesen Grundideen, die hier undifferenziert und vereinfacht wiedergegeben wurden, eine Pädagogik, die durch folgende Kriterien zu beschreiben ist:

Die Schule hat die Aufgabe, politische Ideen auf der gesellschaftlichen Ebene umzusetzen. Der ursprüngliche Bildungs- und Erziehungsauftrag, wie er im § 1 Schulgesetz definiert ist, wurde zu einem auf die Gesamtgesellschaft bezogenen Auftrag. Schule wurde mit all jenen Aufgaben belastet und überlastet, die andere gesellschaftliche Institionen nicht leisten konnten. Dazu gehört u.a. die Integration von Migranten, die Gleichstellung der Geschlechter, Gesundheitsprophylaxe in den unterschiedlichsten Gebieten, die Herstellung von Chancengleichheit u.v.m.

Der Begriff der „Bildung“ wurde durch die vage Beschreibung der Informations- und Wissensgesellschaft ersetzt. Das bedeutet, dass die Schule keinen Kanon an Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten mehr zu vermitteln hat, sondern „Kompetenzen“. Das bedeutet in der Konsequenz eine Verengung der Qualifikationen über die ein Schüler verfügen muss auf individuell verwertbare Beschreibungen von Fähigkeiten, in einem bestimmten Bereich Dinge tun zu können.

Eng verbunden damit ist die Grundidee der „Individualisierung“ als neues Paradigma von Schule. Nicht die Schule hat Ziele und ein Spektrum von Ressourcen, um diese erfolgreich vermitteln zu können, sondern im Fokus stehen allein die höchst unterschiedlichen Voraussetzungen, Prägungen, Begabungen und persönlichen Ziele, welche das Kind oder der Jugendliche mitbringen. Methodisch soll dies durch „Innere Differenzierung“ und „Individualisierung“ so umgesetzt werden, dass die Lehrerin oder der Lehrer im Unterrricht für „jeden Schüler ein individuelles Lernpäckchen“ schnüren soll, wie es ein leitender Schulamtsdirektor ausdrückte. Die Idee des „Lernbegleiters“, des „Unterrichtscoachs“ ist die logische Fortsetzung dieser Grundidee.

Die Gemeinschaftsschule ist die konsequente Umsetzung all dieser gesellschaftlichen und pädagogischen Ideen.

Kritik aus der Innensicht von Schule

Als Lehrer und Schulleiter erlebe ich die Schule heute als ein höchst verwirrendes System, das von größtmöglicher Diversifikation gekennzeichnet ist. Ein Konglomerat von höchst unterschiedlichen Zielen der verschiedensten an diesem System beteiligter Menschen und Gruppen treffen in den Lehrerzimmern, Klassenräumen und Rektoraten unvermittelt aufeinander:

·        Eltern, welche die bestmögliche Ausbildung für Ihr individuelles Kind wünschen und einfordern,

·        Schüler, die auf ihrem jeweiligen Entwicklungsstand agieren,

·        Medien, die aus der Außensicht schulische Zusammenhänge beschreiben und kritisieren,

·        Politiker, die ihre gesellschaftlichen Ziele mit dem System Schule erreichen wollen,

·        Erziehungswissenschaftler, die mehr oder weniger praxisorientiert, ihre Forschungsergebnisse umgesetzt haben wollen,

·        Stiftungen und Lobbygruppen, die durch große empirische Metauntersuchungen, indirekt Einfluss auf schulische Aufgabenstellungen und Handlungen nehmen,

·        eine wachsende Zahl von Schulverwaltungsbeamten, welche pädagogische Ziele der jeweiligen Landesregierung durchsetzen sollen (und manchmal wollen),

·        Schulträger, die mit den finanziellen Belastungen, welche diese Ziele mit sich bringen, überlastet sind.

 

Die Auflistung ist unvollständig und nahezu unbegrenzt ergänzbar.

 

Es ist nicht verwunderlich, dass ein solch umkämpftes Terrain, in dem auch mit Nebelkerzen und jeder Menge Desinformation und psychologischer Kriegsführung agiert wird, unübersichtlich wird. Es erstaunt deshalb auch nicht, wenn Eltern, die in aller Regel nur das Beste (oder das, was aus Ihrer subjektiven, augenblicklichen Sicht als das momentan Beste erscheint) für ihr Kind wollen, irrationale Entscheidungen treffen. Vielen erscheinen Strukturdebatten, hinter denen ja auch ernst zu nehmende wirtschaftliche Zwänge stehen, als die Lösung der geschilderten Probleme. Und nicht zuletzt spielen Prestigegründe, Standortsicherungsdenken und berechtigte Sorgen um den Arbeitsplatz Schule eine nicht zu unterschätzende Rolle in der augenblicklichen Diskussion um das „Sorgenkind Schule“.

 

Fazit:

 

Es erscheint mir unabdingbar, die gesamte Diskussion um die Schule dringend zu versachlichen und zu entideologisieren. Politische und wissenschaftliche Prämissen, die in den 60er- und 70er-Jahren entwickelt wurden und seitdem zum latenten Main-Stream im wissenschaftlichen, aber auch allgemeinen Denken und vor allem in den Medien wurden, müssen sichtbar gemacht werden. Debatten dürfen nicht mehr vorwiegend an Strukturfragen angeknüpft werden, sondern müssen auf der Ebene der ideologischen Hintergründe geführt werden. Jede Kritik greift zu kurz, wenn sie nicht gleichzeitig die zugrunde liegenden ideologischen Prämissen offen legt und kritisiert.

 

Stattdessen ist eine Diskussion zu führen über die Kernaufgaben schulischer Bildung, über die Erfüllung der Vorgaben unserer Verfassung und die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Schulen.

 

Ein Beispiel: Dazu gehört, dass z. B. solche Aussagen in Frage gestellt werden, die laufend das Schulsystem kritisieren, weil es angeblich nur unzureichend schafft, den sozialen Hintergrund auszugleichen. Es wird gar nicht mehr gefragt, ob bzw. in welchem Maß es möglich ist, Prägungen, Erfahrungen, spezifische Haltungen etc. durch schulische Maßnahmen auszugleichen, die in früher Kindheit im Elternhaus angelegt – oder eben nicht angelegt wurden. Wahrnehmungen, die eigentlich jeder Mensch mit offenen Sinnen macht, werden durch latent geltende ideologische Behauptungen, aus dem Bewusstsein gedrängt.

 

Es gibt eine Menge wissenschaftlicher Befunde, die anzweifeln, dass frühkindlich erworbene Defizite oder – wertfrei betrachtet – Haltungen später durch pädagogische Maßnahmen kompensiert werden können. Ich zweifle nicht an, dass solche Änderungen möglich sind, aber sie geschehen vorrangig nicht durch schulische Anstrengungen von Lehrkräften, sondern durch individuelle, persönliche Willensentscheidungen und – anstrengungen des einzelnen Menschen.

 

An diesem Beispiel sieht man, in wie hohem Maß die momentane Debatte um das Schulwesen vom jeweiligen Menschenbild und/oder philosophischen Gedanken gesteuert wird. Hier stellt sich doch letztlich die philosophische Frage nach dem Stellenwert, das man dem freien Willen des Individuums zubilligt. Zugespitzt: Betrachtet man den Menschen als ein freiheitsbestimmtes, durch den eigenen freien Willen gesteuertes Wesen oder ist er Produkt der ihn umgebenden, prägenden Gesellschaft. Im ersten Fall hat – bezogen auf unser Beispiel – die Schule ein Bildungs- und Erziehungsangebot zu machen, das je nach Entwicklungsstufe des Schülers mehr oder weniger freiwillig angenommen werden kann. Aber die Entscheidung bzw. die Verantwortung über die spätere Annahme und damit über den Erfolg der Maßnahme liegt beim Individuum und nicht bei der Schule.

 

Man sieht hierbei deutlich, wie sehr Menschenbilder und Ideologien Raum gegriffen haben, die den Menschen nicht mehr als selbstverantwortliches Wesen sehen, sondern als Produkt der ihn umgebenden sozialen und kulturellen Einflüsse. Es scheint so, dass der „Marsch durch die Institutionen“, zu dem der SDS und die anderen Gliederungen der linken Bewegung im letzten Jahrhundert aufbrachen, erfolgreich war. Zwar redet niemand mehr im Jargon dieser Zeit, aus den Maoisten der 68er-Zeit wurden honorig daherkommende Politiker. Das äußere Bild hat sich gewandelt, aber der Kern der inneren Ideen blieb der Gleiche.

 

 

Ansatzpunkte zur bildungspolitischen Neustrukturierung

Angesichts der Einführung der Gemeinschaftsschule als bildungspolitisches Anliegen der rot-grünen Landesregierung, versuche ich im Folgenden einige Aspekte der Strukturdebatte zu beleuchten und Ansätze für ein Gegenmodell zur Einheitsschule in die Diskussion zu bringen.

 Grundsätzlich möchte ich vorausschicken, dass das Kernproblem nicht die Anzahl der Säulen darstellt, sondern es stellt sich die Frage, ob und wie es gelingt, die Schullandschaft in einer solchen Differenziertheit zu erhalten und sogar auszubauen, dass die Schulen oder Schularten:

 1.      von ihrem Bildungsziel her definiert sind,

2.      ein klares, zielorientiertes Profil haben.

Das Gymnasium entspricht ebenso wie die Schulen im beruflichen Schulwesen diesen Kriterien. Die Erlangung der Studierfähigkeit ist das erklärte Ziel jeder gymnasialen Bildung und wird auch konsequent verfolgt. Im beruflichen Schulwesen ist das Ziel immer eine berufliche Qualifikation, so unterschiedlich diese auch immer sein mag. Nur im Sekundarschulbereich I meint man seit einiger Zeit darauf verzichten zu können und setzt stattdessen auf das anfangs beschriebene Modell der individuellen Förderung mit dem Slogan „Vom Kind her denken“.

Als zielorientiert Gegenmodell müssten in diesen Schularten dagegen Modelle einer differenzierten und profilierten Ausbildungsreife stehen. 

Eigentlich gibt es  ja ein solches Modell mit dem Drei-Säulen-Modell in Verbindung mit dem ausgebauten beruflichen Schulwesen und so wäre es eigentlich die erste Präferenz, dieses bewährte Modell aus HS/WRS, RS und GY zu stärken und weiter zu entwickeln.

Nun stellt sich allerdings das nicht von der Hand zu weisende Problem, dass die erste Säule HS/WRS in der Öffentlichkeit einen gravierenden Mangel an Akzeptanz aufweist. So ist zu fragen:

1.      Wie kann die Realschule vor einer Überflutung durch leistungsschwache Schüler, die bisher an den Hauptschulen bzw. auch an den Sonderschulen und E unterrichtet wurden, geschützt werden, um das ihr bewährtes Profil zu erhalten?

2.      Könnte man unter einem Sammelnamen (Arbeitstitel „Mittelschule“) – vielleicht analog zu Profilbildungen im beruflichen Schulwesen oder z. B. in den Niederlanden – äußere Differenzierungen als eigenständige Schulen einrichten? Beispiel: „X-Schule. Mittelschule mit sprachlich-künstlerischem Profil“ oder „Y-Schule. Mittelschule mit beruflichem Profil“

3.      Diese Differenzierungen müssten formal zu den gleichen Abschlüsse (qualifizierter HS-Abschluss oder „Ausbildungsreife“ nach Klasse 9, Mittlere Reife nach Klasse 10) führen, allerdings bei deutlich unterschiedlichen Profilen. Profile könnten z. B. sein: allgemeine Ausbildungsreife mit sprachlich-künstlerischem Schwerpunkt oder eine Ausbildungsreife mit beruflichem Schwerpunkt bei jeweiliger Binnendifferenzierung in gewerblich-technische Ausbildungsreife, sozialpflegerische Ausbildungsreife, kaufmännisch-sprachliche Ausbildungsreife. Damit wären die Forderungen nach klarer Zielsetzung und Profilbildung erfüllt und gleichzeitig könnte unter deutlicher Absetzung vom Gemeinschaftsschulmodell eine attraktive bildungspolitische Alternative und Akzentsetzung erreicht werden. 

Eine solche zweite Säulenstruktur neben dem Gymnasium wäre vermutlich mit dem Namen der „Mittelschule“ gut definiert. Diese Bezeichnung bildet zutreffend die Stufung zwischen der Primarstufe und der Sekundarstufe II ab. Zugleich wäre in ihr sowohl die Hauptschule/Werkrealschule wie auch die Realschule aufgehoben im Sinne der Hegel’schen zweifachen Wortbedeutung des Bewahrens und des Emporhebens.

Konkret heißt das: Die Diskussionen heute – z. B. über die Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg – dürfen sich nicht an vordergründigen Strukturfragen orientieren, sondern bedürfen wieder der Tiefe und des intellektuellen Niveaus auf welcher die Väter der Verfassung sich des Themas Bildung und Erziehung angenommen haben.


Hinterlasse einen Kommentar